Für verschiedene Betrachtungen rund um den Schrittmotor (z.B. Leistungsbilanz, Wirkungsgrad, sensorlose Regelung) ist es wichtig, den Zusammenhang zwischen dem durch die Schrittmotor-Endstufe vorgegebenen Drehfeld und der aktuellen Rotorposition zu kennen. Der folgende Beitrag beschäftigt sich daher mit dem Lastwinkel und den damit verbundenen Konsequenzen für die Anwendung von Schrittmotoren.
Schrittmotoren werden klassischer weise gesteuert betrieben („open loop“),weil hierfür kein Drehgeber benötigt wird und keine Reglerinbetriebnahme erforderlich ist. Oftmals wird dabei davon ausgegangen, dass der Schrittmotor, so lange sein jeweiliges Drehmoment nicht überschritten wird, exakt dem vorgegebenen Drehfeld folgt und seine Rotorpsoition somit genau bekannt ist. Auf den ersten Blick ist diese Annahme auch richtig. Schrittmotoren sind Synchronmaschinen, die dem vorgegebenen Drehfeld ohne Schlupf folgen. Trotzdem gibt es zwischen der Drehung des elektrischen Feldes und der mechanischen Rotordrehung eine Abweichung, die man „Lastwinkel“ δ nennt.
Weiterhin wird oftmals unterstellt, ein Schrittmotor würde immer, wenn seine Wicklungen bestromt sind, ein Drehmoment abgeben. Tatsächlich kann das aber physikalisch garnicht sein, da ein Motormoment ohne entgegenwirkendes Lastmoment eine Beschleunigung des Rotors zur Folge hätte. Deswegen wird begrifflich zwischen Haltemoment und Drehmoment unterschieden. Das Drehmoment ist letztlich das im jeweiligen Betriebspunkt vom Motor erzeugte Moment. Drehzahl-Drehmoment-Kennlinien geben dabei die Obergrenzen abhängig von verschiedenen technischen Randbedinungen (Beschaltung der Wicklung, Versorgungsspannung, Phasenstrom, ggf. bei der Messung verwendete Dämpferelemente oder Lastträgheiten) über der Drehzahl an. Das Haltemoment gibt das maximale Moment an, dem der Rotor im Stand genügend Drehmoment entgegensetzen kann, ohne das er aus seiner Position ausrastet. Das folgende Bild veranschaulicht diesen Zusammenhang.
Ohne Einwirkung durch ein externes Moments befindet sich der Schrittmotor in der Vollschrittposition Null, der Lastwinkel δ ist also ebenfalls Null. Mit steigendem Lastmoment entwickelt der Motor, ähnlich wie eine Feder, ein steigendes Drehmoment. Bei Erreichen des Kippunktes wird der Rotor instabil und springt, da das Drehmoment im weiteren Verlauf abfällt, bis in die nächste stabile Position (+4 Vollschritte). Steht das Lastmoment weiterhin an, verliert der Motor weitere Schritte.
Das bedeutet für die Anwendung von Schrittmotoren:
- Ohne Last stimmt die Position von Rotor (mechanisches Drehfeld) und elektrischem Feld überein (sofern man Reibungseffekte vernachlässigt).
- Ein Schrittmotor liefert nur unter Last ein Drehmoment.
- Ein gesteuert betriebener Schrittmotor ist mit einer Feder vergleichbar. Die „Federrate“ kann über den Wicklungsstrom beeinflusst werden.
- Es gibt einen lastabhängigen Positionsfehler, der bis zu einem Vollschritt betragen kann.
- Der Einsatz von Treibern mit Mikroschritt erhöht die Genauigkeit nicht, da sich der Zusammenhang zwischen Moment und Lastwinkel nicht ändert.
Für Anwendungen mit hohen Genauigkeitsanforderungen ist daher zu prüfen, ob der Einsatz von hochauflösenden Motoren (2-Phasen Motoren mit 0,9° Vollschrittwinkel oder 3-Phasen Motoren) oder spielfreien Getrieben sinnvoll ist. Alternativ ist es auch denkbar, den Motor deutlich überzudimensionieren, um eine geringere Auslenkung unter Last zu erreichen.
Tags: Auflösung, Drehmoment, Genauigkeit, Lastwinkel, Position, Schrittmotor
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Hallo Thorsten
Habe ich das korrekt verstanden, dass der Motor unter Last salopp gesagt einfach „stehen“ bleibt, bis er genügend Moment aufgebaut hat, um dann in die nächste Position zu drehen und dieser Versatz in der Grafik aufgeführt ist?
Was mich verwirrt ist die Angabe von den 4 Vollschritten und dass er noch weitere Schritte „verlieren“ kann. Hier wäre eine Erklärung für einen „Nicht-Elektroniker sinnvoll.
Mit freundlichem Gruss aus der Schweiz, Markus Grob
Hallo Markus,
die Betrachtung bezieht sich auf den stehenden Motor. Wenn der Motor dreht ist das ganze noch etwas komplexer, weil dann auch die Massenträgheiten von Rotor und Last eine Rolle spielen. Im Stillstand kann man sich den Motor wie eine Drehfeder vorstellen. Je größer die angreifende Last, desto weiter wird die Feder verdreht. Beim Überschreiten des Haltemoments „bricht“ dann die Feder und gibt nach…