Seriell oder parallel? Alles eine Frage der Drehzahl, oder?

Über die Unterschiede von unipolaren und bipolaren Schrittmotoren wurden bereits einige Worte verloren. Aber wie sieht es bei Motoren mit 8 Anschlüssen aus, sollte man hier die Wicklungen seriell oder parallel verschalten? Das ist in erster Linie eine Frage der geforderten Drehzahl, aber auch des Geldbeutels. Der folgende Beitrag widmet sich den Vor- und Nachteilen beider Beschaltungsarten.

Warum sich bei einem unipolaren Motor die Wicklungsinduktivität vervierfacht, wenn man die Wicklungen bipolar betreibt (also in Reihe schaltet), wurde ja bereits hergeleitet. Dieser Zusammenhang gilt natürlich auch für einen Schrittmotor mit 8 Anschlüssen. Aus dem gleichen Grund ändert sich die Induktivität gegenüber dem uniolaren Fall nicht, wenn man die Wicklungshälften parallel schaltet. Für den Wicklungswiderstand gelten dagegen die bekannten Zusammenhänge für Reihen- und Parallelschaltung, also doppelter Widerstand im seriellen Betrieb und halber Widerstand bei parallelem Betrieb. Oder anders ausgedrückt: Beim Wechsel von parallel auf seriell vervierfacht sich der Widerstand. Und das hat Auswirkungen auf die elektrische Zeitkonstante der Wicklung (tau=L/R). Sie bleibt nämlich in beiden Fällen gleich.

Trotzdem gibt es erhebliche Unterschiede in der Perfomance des Motors. Dieser Effekt ist durch die Spannung zu erklären. Legt man die gleiche Spannung an einen Schrittmotor mit parallel geschalteten Wicklungen an und an einen mit seriell geschalteten Wicklungen, liegt an den Teilwicklungen des ersten Motors die volle Spannung an, wärend die seriell geschalteten Wicklungen eine Art Spannungsteiler bilden, so dass jede Teilwicklung nur die halbe Betriebsspannung „sieht“. Und da eine höhere Betriebsspannung zu einem schnelleren Stromanstieg führt, erreicht ein Motor mit parallel geschalteten Wicklungen deutlich höhere Drehzahlen (bzw. bei gleicher Drehzahl mehr Drehmoment, zumindest im oberen Bereich der Kennlinie).

Die folgenden Kennlinen verdeutlichen den Unterschied. Während der seriell beschaltete Schrittmotor bei 24V= und 200 U/min nur noch 0,7N, erreicht, schafft der parallel verschaltete Motor mit 1,7Nm noch mehr als das Doppelte. Die Kennlinien gelten übrigens auch für den PK268-E2.0, bei PK268PDA und PK268PA ist lediglich die serielle bzw. parallele Verdrahtung schon werksseitig vorgenommen worden. Einen ähnlichen Effekt wie der Wechsel von serieller zu paralleler Beschaltung hat übrigens eine Anhebung der Betriebsspannung, wie der 2. Satz Kennlinien deutlich macht. Wegen der unterschiedlichen Spannungen (36V vs. 48V) sind jetzt beide Beschaltungsarten allerdings nicht mehr direkt vergleichbar.

Kennlinen PK268

Drehzahl Drehmoment-Kennlinien beim PK268 (oben parallel, unten seriell).

(Quelle: Katalog 2-Phasen Schrittmotoren, Fa. Oriental Motor)

Da beide Teilwicklungen mit dem Nennstrom betrieben werden sollen, erreicht man die höhere Leistung im Parallelbetrieb (wir erinnern uns: P=ω*M, also Leistung ist Drehmoment mal Drehzahl) letztlich durch einen höheren Strom. Und damit benöigt man unter Umständen eine leistungsstärkere Schrittmotorsteuerung (bzw. -endstufe), die dann entsprechend teurer ausfällt. Ob sich der Leistungssprung lohnt, ist also auch eine finanzielle Frage. Ob eine höhere Betriebsspannung für genügend Drehmoment-Reserve sorgt, muss im Einzelfall geprüft werden, z.B. durch Simulationen oder Messungen. Bei Serienanwendungen ist es nicht unüblich, vom Motorhersteller Kennlinien für die konkreten Betriebsbedingungen messen zu lassen. Unter Umständen erreicht man aber auch erst mit einer kundenspezifisch angepassten Wicklung ein optimales Ergebnis. Es kann sich also lohnen, einen externen Berater hinzuzuziehen…

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15 Responses to “Seriell oder parallel? Alles eine Frage der Drehzahl, oder?”

  1. Kalle sagt:

    Hi Wo ist denn der like Button? 🙂

  2. Karl Ranseier sagt:

    Moin,
    und wenn man einen Motorregler hat, der auf konstanten Strom regelt? Dann habe ich evtl. mehr Performance bei Reihenschaltung, weil ich effektiv die 4-fache Leistung einprägen kann, oder? Voraussetzung ist natürlich, dass der Maximale Strom der Spulen nicht erreicht wurde.

    Habe einen Schrittmotor mit bis zu 4 A, aber einen Treiber mit 1 A. Parallelschaltung: halbes Ampere pro Spule, Reihe: 1 A. Die Spannung erhöht sich um Faktor zwei. Also vierfache Leistung durch Reihenschaltung, oder?

    Oder meinst Du die Gegeninduktion stört effektiv mehr?

    Viele Grüße,
    karl.ranseier

    • Hallo Herr Ranseier,

      die Überlegungen in dem Artikel gelten für Motorsteuerungen mit Stromregelung. Weiterhin wird immer davon ausgegangen, dass man einen Treiber (=eine Endstufe) verwendet, die für die jeweilige Betriebsart ausreichend Strom liefern kann. Eine Schrittmotorsteuerung mit nur 1,0A ist für einen Schrittmotor mit 4,0A auf jeden Fall zu schwach. Auf welche Beschaltung beziehen sich die 4A eigentlich, bipolar parallel, unipolar oder bipolar seriell?

      Die Gegeninduktion begrenzt die Drehzahl, der an der Endstufe eingestellte Nennstrom begrenzt das Drehmoment im Stillstand und bei niedrigen Drehzahlen. Ich würde für den Motor eine kräftigere Steuerung empfehlen, z.B. die LAM DS1044.

      Mit freundlichen Grüßen
      Thorsten Ostermann

  3. Fabian Pioch sagt:

    Hallo Herr Ostermann,

    ist der Nennstrom eines Schrittmotors als Grenzwert (nach oben) zu sehen? Kann man errechnen oder abschätzen ab welchem max. Strom der Treiber, im Verhältnis zum Nennstrom des Steppers, ein Betrieb n. mehr möglich ist bzw. es mehr Sinn macht einen anderen Motor/Treiber zu verwenden? (Vorausgesetzt das erforderliche Drehmoment ist bekannt)

    Dazu habe ich bisher keine Aussagen oder Diskussionen in den weiten des Internets gefunden.

    In meinem Fall habe ich z.B. Treiber welche für den bipolaren Betrieb max. 2,5A bereitstellen, der mir zur Verfügung stehende Schrittmotor hat lt. Hersteller 4,2A Nennstrom bipolar, ob parallel oder seriell wurde nicht angegeben. Ich vermute in beiden Fällen beziehen sich die Werte auf den bipolar parallelen Betrieb.

    Mit freundlichen Grüßen,
    Fabian Pioch

    • Hallo Herr Pioch,

      der Nennstrom eines Schrittmotors ist der vom Hersteller spezifizierte Wert, bei dem der Motor unter Nennbedingungen dauerhaft betrieben werden kann. Die Nennbedingungen sind in der Regel im Katalog oder im Datenblatt spezifiziert. Unter anderem gehört auch eine flächige Auflage am Motorflansch dazu, über die der Motor seine Verlustwärme abführen kann. Bei kurzzeitigem Betrieb kann man den Strom auch etwas höher wählen, allerdings sollte man das mit dem Hersteller abstimmen.

      Die Stromangaben bei Treibern/Endstufen unterscheiden nicht nach seriell oder parallel, weil die Beschaltung des Motors für den Treiber unerheblich ist. Zu beachten ist außerdem, dass bei vielen Treibern nur der Spitzenwert angegeben wird, während bei Motoren in der Regel der Effektivwert spezifiziert ist. Dazwischen liegt der Faktor Wurzel(2)=1,4142. Der Spitzenwert liegt an, wenn nur eine Wicklung bestromt ist (Halbschritt-Position), der Effektivwert wird in der Vollschritt-Position verwenet, wenn beide Wicklungen bestromt sind.

      Für einen Motor mit 4,2A Nennstrom wird also eine Endstufe mit 6,0A Spitzenstrom benötigt. Zumindest wenn man das Nennmoment des Motors erreichen will. Niedrigere Ströme sind natürlich zulässig. Eine 2,5A Endstufe zu verwenden ist allerdings selten sinnvoll, weil man dann gleich einen kleineren Motor einsetzen könnte. Allgemeine Grenzen, mit welch größerem Motor eine Schrittmotorsteuerung noch zuverlässig läuft, kann man nicht angeben. Das hängt auch davon ab, wie gut die Endstufe mit den niedrigen Wicklungszeitkonstanten von größeren Motoren zurecht kommt.

      Mit freundlichen Grüßen
      Thorsten Ostermann

      • Fabian Pioch sagt:

        Guten Tag Herr Ostermann,

        vielen Dank für die zügige und ausführliche Antwort.
        Das war sehr hilfreich!

        Mit freundlichen Grüßen,
        Fabian Pioch

  4. Michael Holzer sagt:

    Hallo Herr Ostermann,

    ich schätze ich habe immer noch ein Verständnisproblem, wohl auch weil man zu viele unterschiedliche Sachen liest, die mehr verwirren. So z.B. steht auf

    http://rn-wissen.de/wiki/index.php?title=Schrittmotoren#Praxisbeispiel_f.C3.BCr_Stromberechnung

    das das Drehmoment im seriellen Betrieb höher wäre und das dort sehr wohl unterschiedliche Ströme eingestellt werden müssten.

    Mein Konkretes Problem ist folgendes:
    Motor: 1A/Phase (rated current!?), 8 Anschlüsse
    meine Versorgung ist auf genau 12V determiniert und die zu erwartenden Drehzahlen sind eher gering. Mein Treiber liefert maximal 2 A.
    Ihren Ausführungen nach würde ich also seriell beschalten und den Treiber Strom auf maximal 1,14A begrenzen, oder doch auf 0,707A?

    Mit freundlichen Grüßen

    Michael Holzer

    • Hallo Herr Holzer,

      der von Ihnen verlinkte Wiki-Beitrag ist etwas mißverständlich geschrieben. Tatsächlich beziehen sich die elektrischen Daten bei einem Schrittmotor mit 8 Anschlüssen in der Regel auf den unipolaren Fall, bzw. der bipolaren Ansteuerung von nur einer Teilwicklung.
      Sowohl bei Reihen- als auch bei Parallelschaltung der Wicklungen erhöht sich das Drehmoment (theoretisch um den Faktor Wurzel(2)) gegenüber dieser Ansteuerung. Einige Hersteller geben die Daten für alle Beschaltungsvarianten an (z.B. Oriental Motor), aber nicht alle.
      Wenn Ihr Motor mit 1,0A angegeben ist (unipolar) kann er mit 0,707A bipolar seriell oder 1,414A bipolar parallel betrieben werden. Da der Treiber 2,0A (vermutlich peak, nicht Nennstrom) liefern kann, reicht das genau für die parallele Beschaltung, die ich bei der niedrigen Spannung unbedingt empfehlen würde. Sonst wird der Motor wirklich nur sehr langsam drehen können.

      Mit freundlichen Grüßen
      Thorsten Ostermann

      • Michael Holzer sagt:

        Vielen Dank für die schnelle Antwort,

        jetzt hab ich es endlich verstanden. Nun macht auch das Datenblatt mehr Sinn. Dort wird lediglich die Drehmomentkennlinie im Parallelbetrieb angegeben und zwar bei 1,5A statt der theoretischen 1,41A. Ich dachte schon das ist ein Druckfehler aber da hat wohl der Hersteller noch eine kleine Reserve versteckt. Meine erforderliche Drehzahl ist nun genauer bekannt und wird die 1/Sekunde kaum überschreiten, ich denke das ist schon sehr langsam. Er soll halt auch auf Akku laufen und nicht unnötig viel Strom ziehen.

        Nochmals vielen Dank
        Mit freundlichen Grüßen
        Michael

        • Hallo Herr Holzer,

          auf den Strom vom Netzteil hat das (in erster Näherung) keinen Einfluss, wie der Motor beschaltet ist. Die (Verlust)-Leistung ist bei beiden Beschaltungen gleich. Bei der Parallelschaltung steigt allerdings die mögliche abzugebende mechanische Leistung. Das wirkt sich aber nur aus, wenn die auch abgerufen wird.

          Mit freundlichen Grüßen
          Thorsten Ostermann

  5. L B sagt:

    Hallo,
    super Beitrag! Wie immer lese ich ihren Blog gerne. Könnte man eigentlich für einen besonderen Anwendungsfall bei dem Der Schrittmotor sehr langsam (<60U/min) und sehr genau drehen soll, die höhere Induktivität einer Bipolar-Seriellen Verdrahtung nutzen, um bei Treibern die hochfrequent Pulsen (mit PWM z.B.) etwas "Beruhigung" für jene ultra-Präzision reinzubringen?
    Freue mich über eine Antwort.
    Lucas

    • Hallo Lucas,

      das wäre denkbar. Den gleichen Effekt erreicht man durch eine niedrigere Versorgungsspannung (z.B. 12V statt 24V). Einen größeren Einfluss hat aber meiner Erfahrung nach die Verwendung von Mixed-Decay Stromregelung. Manche Treiber können den optimalen Umschaltpunkt von Fast- auf Slow-Decay automatisch bestimmen.

  6. Holger Gesele sagt:

    Auch wenn ich sicher kein Experte bin:
    Technisch interessant ist auch diese Lösung, die verspricht „on the fly“, also ohne relevante Unterbrechung zwischen seriell und parallel zu schalten.
    https://assets.website-files.com/5f9b10c2a4bc0df76ef716ae/603ff0c7f0d09418dd3072b5_5ff388673432430faf8cffcf_ExroDynamicSwitching%20(2).pdf

    Dadurch soll das Anforderungsprofil
    DrehzahlDrehmoment variabel elektronisch steuerbar werden. Zumindest ist mit Heinzmann ein namhafter Entwicklungspartner dabei, so daß es sich m. E. lohnt ein Auge drauf zu haben. Betriebswirtschaftlich wird das aber wohl eher für Großserien-Hersteller sinnvoll…

    • Interessante Idee. Für Schrittmotoren sehe ich da aber ehrlich gesagt keinen Mehrwert, der den Aufwand rechtfertigen würde. Wenn man einen Treiber hat der die Wicklungen im Parallelbetrieb ansteuern kann bringt es nichts, zwischendurch auf seriellen Betrieb zu wechseln. Das mag bei Maschinen für größere Leistungen vielleicht anders aussehen.

      Mit freundlichen Grüßen
      Thorsten Ostermann

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